Weiterentwicklung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der EU-ÖkoDesign-Richtlinie
Wir verschicken unseren Müll in alle Welt, wo er auf ungeschützten Halden Menschen und Natur vergiftet. In Deutschland wird ein großer Teil des Hausmülls in Müllverbrennungsanlagen verbrannt: Über 400 Millionen Tonnen Abfall haben die Deutschen in dem Jahr 2018 produziert (vgl. Umweltbundesamt, „Abfallaufkommen“). Nicht eingerechnet sind da gebrauchte und alte Produkte, die wir ins Ausland exportieren, bevor auch sie dort zu Müll werden.
Um diesen Raubbau an unserer Ressourcen zu beenden, müssen wir den Einstieg in eine konsequente Kreislauf finden, in der die Rohstoffe, die wir für Verpackung und Produkt brauchen, wiederverwertet werden können.
Sofern ich am 26.9.2021 in den Bundestag gewählt werde, werde ich mich für die Weiterentwicklung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der EU-ÖkoDesign-Richtlinie mit dem Ziel einsetzen, dass
- Produkte in Zukunft länger genutzt und ihre Bestandteile wiederverwertet werden können,
- bereits beim Design von Produkten eine bestimmte Dauerhaftigkeit zu gewährleisten und die Wiederverwendung zukünftig verpflichtend zu berücksichtigen ist,
- verlängerte Gewährleistungsfristen Reparaturen erleichtern,
- die Ausfuhr klimaschädlicher Produkte, wie z.B. Gebrauchtwagen, stärker reguliert wird,
- der Export von Abfall sehr stark eingeschränkt wird und
- Stoffe, wie Plastik, die auf fossilen Energieträgern basieren, vorrangig eingespart (Suffizienz) und verstärkt durch Biomasse-basierte Stoffe ersetzt werden, sobald hierzu genug Flächen zur Verfügung stehen, ohne die Biodiversität oder die Lebensmittelproduktion zu gefährden (vgl. MP 17).
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Verpflichtung zur Änderung des Designs bei der Produktion, die eine Austauschbarkeit von Bestandteilen sowie die Reparatur ermöglicht.
Ein Hauptschlüssel zur Etablierung einer zirkulären Wertschöpfung sind Regeln für eine grundlegende Änderung des Designs der Produktion. Produkte können so produziert werden, dass ihre Bestandteile nach ihrer ersten Nutzungsphase wiederverwendet werden können. Dazu bedarf es einer leichten Demontage sowie Austauschbarkeit der Bestandteile und lösbarer Verbindungselementen. Produkte sollten aus möglichst wenigen unterschiedlichen, langlebigen Werkstoffen bestehen, deren Bestandteile bekannt sind. Chips oder Strichcodes auf den Produkten speichern Informationen wie z.B. Reparaturanleitung, Trennungshinweise, Ersatzteillisten mit Bezugsquelle oder verlinken auf diese.
(2) Verpflichtung zu längerer potenzieller Nutzungsdauer und entsprechend verlängerte Gewährleistungsfristen
Für eine längere Nutzungsdauer und die Möglichkeit der Wiederverwendung von Produkten kann man von einer breiten Zustimmung in der Bevölkerung ausgehen. So hat beispielsweise eine Umfrage zur durchschnittlichen Nutzungsdauer eines Smartphones ergeben, dass die von Verbraucher*innen gewünschte Nutzungsdauer mit 7 Jahren deutlich über der bislang realisierten Nutzungsdauer von 2,5 Jahren liegt (Ökoinstitut 2020), vgl. Vorschlag der EU-Kommission zu einer Batterierichtlinie vom 9.12.2020, die konsequente Kriterien für ein Recycling enthält (vgl. auch Circular Economy Initiative Deutschland). Darüber hinaus sind entsprechend verlängerter Nutzungsdauer auch die Gewährleistungsfristen produktspezifisch zu verlängern. Ab März 2021 gelten auch in Deutschland erstmals neue Vorschriften im Rahmen der europäischen Ökodesign-Richtlinie. Hersteller müssen für Haushaltsgeräte wie Wasch- und Spülmaschinen, Kühlgeräte Ersatzteile und Reparaturanleitungen für sieben bis zehn Jahre zur Verfügung stellen (vgl. UBA 2021). Diese Vorgaben müssen auf weitere Produktgruppen wie z.B. Smartphones und Computer ausgeweitet werden, die entsprechend notwendige Softwareupdates einschließen.
(3) Recht auf Reparatur
In den Niederlanden und Frankreich gibt es seit Januar 2021 inzwischen für eine Reihe von Produkten Reparaturindizes, die die Reparierbarkeit der Produkte auf einer Skala von 1 bis 10 kennzeichnen (Umweltministerium Frankreich 2021). Und das Europaparlament fordert die Kommission auf, den Verbrauchern ein „Recht auf Reparatur“ einzuräumen (EU-Parlament 2020). Notwendig sind eine Festlegung angemessener Vorhaltezeiten für Ersatzteile, Reparaturanleitungen und freier Zugang zu Ersatzteilen zu angemessenen Preisen (ZDF Zoom: Doku – Kampf dem Elektroschrott).
(4) Reduktionspfade für den Export klimaschädlicher gebrauchter Produkte und Abfälle
Auch verbindliche Recyclingquoten können bisher nicht verhindern, dass wir viele Konsumprodukte als gebrauchte Güter exportieren und damit auch deren Emissionen während der weiteren Nutzugsdauer oder ihre unsachgemäße Entsorgung.
Nicht nur am Beispiel des Exports von Gebrauchtwagen zeigt sich die Verlagerung ehemaliger Umweltbelastungen aus dem eigenen Land ins Ausland. Allein im Zeitraum von 2015 bis 2018 exportierte die EU etwa 7,6 Millionen Gebrauchtfahrzeuge in Länder außerhalb der Europäischen Union (vorwiegend Westafrika, Osteuropa, Kaukasus und Zentralasien). Deutschland ist in der EU mit einem Anteil von 53% der größte Exporteur von Gebrauchtfahrzeugen in Länder außerhalb der EU (UNEP 2020) beteiligt. Ohne verbindliche Vereinbarungen zum Umgang mit Gebrauchtfahrzeugen wird man die Klimaschutzziele von Paris nicht erfüllen können.
Hier sind Kreislaufwirtschaftsgesetz und das im Entwurf vorliegende und noch zu verabschiedende Lieferkettengesetz (vgl. MP 3) sowie die Bemühungen im Rahmen der Klimadiplomatie eng miteinander zu verzahnen und die Produktverantwortung (Obhutspflicht) der Hersteller auch auf andere Länder auszudehnen. Dies gilt auch für den Export von Abfällen. Zwar hat der Export von Plastikabfällen insbesondere wegen des Importverbots von China abgenommen (rund 1 Mio. Tonnen), nichtsdestotrotz gibt es bislang keine Kontrolle darüber, was mit den ca. 15 Mio. Tonnen exportiertem Müll im Ausland geschieht. Diese Menge ist größer als Deutschland an Maschinen in alle Welt exportiert (11,3 Mio. Tonnen). Deutschland importiert Wertstoffe wie Stahlschrott und Kupferreste und exportiert unsortierte Abfälle, über deren Verbleib der Bundesregierung so gut wie nichts bekannt ist (vgl. Drucksache 19/23513). Die Emissionen allein aus der Produktion von Kunststoffen und dem Verbrennen von Abfällen beläuft sich weltweit im Jahr 2019 auf etwa 850 Mio. Tonnen CO2e, also mehr als die territorialen Emissionen Deutschlands (CIEL 2019).
Allein zur Lösung des Plastikproblems im Meer bedarf es eines ehrgeizigen Reduktions- und Substitutionspfades für Kunststoffe (PEW 2020). Hierzu kann die Bioökonomie unter der Voraussetzung einer Flächenfreisetzung (für die Produktion von entsprechender Biomasse) durch geringere Tierproduktion einen wichtigen Beitrag leisten (vgl. MP 16, MP 17). Biomasse und biologisch abbaubare Abfälle können zu einer wichtigen Quelle z.B. für die stoffliche Nutzung als Baumaterialien oder für Verpackungen und Substitution fossiler Grundstoffe werden. Es braucht dazu dringend eine Strategie, die die Kreislaufwirtschaft mit der Landnutzung und der Bioökonomie verbindet. Energiepflanzen müssen durch Konzepte wie der Agriphotovoltaik ersetzt werden, um Flächen für den Anbau von stofflich nutzbarer Biomasse zu gewinnen. Und Photovoltaikmodule müssen, im Sinne der Kreislaufwirtschaft, so konzipiert werden, dass sie nach ihrer ersten Nutzungsphase leicht demontierbar und recycelbar sind (vgl. ISE 2020).
Aus dem EU- Circular Economy Action Plan: „Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft wird systemisch, tiefgreifend und transformativ sein, in der EU und darüber hinaus. Er wird zuweilen disruptiv sein, also muss er fair sein. Er wird eine Abstimmung und Zusammenarbeit aller Akteure auf allen Ebenen – EU, national, regional und lokal sowie international – erfordern.“ Er „ermutigt die Mitgliedstaaten, ihre nationalen Strategien, Pläne und Maßnahmen für die Kreislaufwirtschaft im Lichte der Ziele dieses Plans anzunehmen oder zu aktualisieren.“
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Einsparpotenzial THG: Die Lebenszyklusanalyse allein für langlebigere Waschmaschinen, Notebooks, Smartphones und Fernseher prognostiziert Einsparungen von 3,9 Mio. Tonnen CO2e sowie Kosteneinsparungen von rund 3,6 Mrd. € (Ökoinstitut 2020) bei geschätzten CO2-Vermeidungskosten von weniger als 10 € pro Tonne CO2e.
Das EU Parlament schätzt das Potenzial auf mehr als 200.000 lokale Arbeitsplätze unter der Annahme, dass nur 1 % der kommunalen Abfälle in Europa für die Wiederverwendung vorbereitet würden. Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes kommt allein für die Aufbereitung von Elektrogeräten für Deutschland auf ein Potenzial von bis zu 129.000 Arbeitsplätzen (Sander et al. 2019). Insgesamt geht die EU davon aus, dass bis 2030 durch eine verbesserte Kreislaufwirtschaft bis zu 700.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten (EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft, vgl. auch Drucksache 19/22641).
Eine zunehmende Menge des Abfalls landet derzeit in der Verbrennung oder wird als Ersatzbrennstoff, z.B. für die Zementindustrie, verwendet. Damit werden Emissionen von der Chemiewirtschaft in die Industrie oder Energieerzeugung verlagert (UBA 2015).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Zu den zentralen Richtlinien im Bereich der Abfallwirtschaft zählt die EU-Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG). Sie definiert wesentliche abfallbezogene Begrifflichkeiten und legt unter anderem eine fünfstufige Abfallhierarchie fest: Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, Sonstige Verwertung, Beseitigung. Nach ihr sollen bis 2035 EU weit 65 % der Abfälle recycelt werden. Die letzte Novelle des deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) ist zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union am 28.10.2020 in Kraft getreten.
(1) Reform Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), die anstatt einer vergleichsweise unverbindlichen Obhutspflicht die verpflichtende Produktverantwortung mit verbindlichen Mehrweg- und Recyclingquoten und Maßnahmen zur Verlängerung der Produktlebensdauer (langlebigere Produkte) für Produktkategorien in den nachgeordneten Verordnungen einführt (Krause et al. 2020).
(2) Verpflichtung zur Änderung des Designs bei der Produktion im KrWG und/oder der EU-Ökodesignrichtlinie
(3) Gewährleistungsfristen verlängern (Richtlinie (EU) 2019/771, EU-Richtlinie 99/44, BGB § 365)
(4) Recht auf Reparatur gesetzlich im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankern mit Anpassung entsprechender Gesetze, wie Batteriegesetz (BattG), Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG).
(5) Rechtliche Verankerung und Ausgestaltung der Begriffe „Produktverantwortung“ und „Obhutspflicht“ auch im Lieferkettengesetz entsprechend der Regelungen im Kreislaufwirtschaftsgesetz auch für den Export von Gebrauchtgütern.
(6) Backstop Regelung einführen: Stark eingeschränkter Export von Abfällen mehr z.B. ab 2040
(7) Erweiterung der EU-Ökodesign-Richtlinie (vgl. MP 19) durch verpflichtende Reduktionspfade, wie dem Auslaufen der Verwendung von Industriegasen (z.B. Kältemittel) mit Treibhausgaspotenzial.
(8) Verpackungsgesetz (VerpackG): Kein Export von Verpackungsmüll mehr ab 2030.
(9) Richtlinie, die Anforderungen an den Ersatz fossiler Grundstoffe durch nachwachsende Rohstoffe formuliert (vgl. MP 17) (z.B. neues Bioökonomiegesetz/-verordnung).
(10) Regelung zum Verkauf von Gebrauchtwagen mit Verbrennungsmotor ins Ausland in der Altfahrzeug-Verordnung (AltfahrzeugV).
Anpassungen und Rechtsbereinigungen im untergesetzlichen Regelwerk
Das KrWG wird durch eine Vielzahl von Rechtsverordnungen ergänzt und konkretisiert, die entsprechend angepasst werden müssen. Dazu gehören Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV), Altfahrzeugverordnung (AltfahrzeugV), Altholzverordnung (AltholzV), Altölverordnung (AltölV), Beförderungserlaubnisverordnung (BefErlV), Verordnung über Betriebsbeauftragte für Abfall (AbfBetrBV), Bioabfallverordnung (BioAbfV), Chemikalien-Klimaschutzverordnung (ChemKlimaschutzV), Chemikalien-Ozonschichtverordnung (ChemOzonSchichtV), Deponieverordnung (DepV), EMAS-PrivilegierungsVerordnung (EMASPrivilegV), Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV), Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV), Gewinnungsabfallverordnung (GewinnungsAbfV), Verordnung über die Entsorgung gebrauchter halogenierter Lösemittel (HKWAbfV), Klärschlammverordnung (AbfKlärV), Nachweisverordnung (NachwV), PCB/PCTAbfallverordnung (PCBAbfallV), Verpackungsgesetz (VerpackG), Versatzverordnung (VersatzV).