Verpflichtende Energieleitpläne für emissionsfreie Gebäude und eine hohe Ausnutzung der regenerativen Energien vor Ort
Die Kommunen und Gemeinden spielen eine tragende Rolle für die effiziente und erneuerbare Energieversorgung der Menschen vor Ort (Klimaschtutz als Pflichtaufgabe für Kommunen, vgl. MP 1). Ein strategisches Planungsinstrument, um ein übergreifendes Gesamtkonzept für die energetische Entwicklung einer Gemeinde zu schaffen, ist der Energieleit- oder Energienutzungsplan (oder auch das integrierte Quartierskonzept, vgl. KfW 432). Er hat das Ziel, eine möglichst verbrauchsarme, auf Erneuerbare Energien gestützte, intelligente Strom- und Wärmeversorgung im Gemeindegebiet umzusetzen.
Ein Energienutzungsplan kann neue und effiziente Energiepotenziale aufzeigen (z.B. Industrieabwärme sinnvoll in Wärmekonzepten vor Ort zu nutzen), er liefert Impulse für gemeinschaftliche Versorgungskonzepte bei neuen Heizungsanlagen in Wohnsiedlungen oder bietet Grundlagen, um über energetische Sanierungen zu entscheiden.
Damit die so aufgedeckten Potenziale sinnvoll umgesetzt werden können, müssen die Unternehmen und Haushalten vor Ort beraten und unterstützt werden. Dafür müssen finanzielle Mittel bereit gestellt werden. Ein bürokratiearmes Anreiz- und Finanzierungsinstrument könnte eine Grundsteuerkomponente über die kommunalen Hebesätze sein, die sich über die Energieverbrauchsausweise (Verbrauchsdaten aus den Heizkostenabrechnungen oder Energierechnungen der vergangenen drei Jahre) am Treibhausgaspotenzial der Gebäude bemisst.
Sofern ich am 26.9.2021 in den Bundestag gewählt werde, werde ich Gesetzesinitiativen einbringen oder unterstützen, durch die
- Energieleit- oder Energienutzungspläne in Kommunen verpflichtend eingeführt und durch die die anschließende Beratung der Anwohner*innen angemessen finanziert wird. Dies ist zum Beispiel über eine Grundsteuerkomponente möglich, die sich über die Energieverbrauchsausweise am Treibhausgaspotenzial der Gebäude bemisst,
- der reine Ersatz von fossil betriebenen Wärmeerzeugern verboten wird, sodass bei einer Heizungssanierung verpflichtend Wärmepumpen und Solarstromanlagen (Hybridheizungen) in und auf den Gebäuden eingerichtet werden müssen.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Verpflichtende Energieleitpläne
Auch im Bereich der Gebäudesanierung ist die Bilanzierung der Treibhausgase CO2e inkl. der Betrachtung der Vorkettenemissionen bei der Produktion (Stichwort „Graue Energie“) die Grundlage aller Lösungsansätze (vgl. MP 3). Welche Lösung für ein bestimmtes Objekt vor Ort am sinnvollsten für eine emissionsfreie Gebäudesanierung ist und welchen Anteil dabei die Gebäudehülle und welchen die Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen spielt, kann nur unter Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten im Rahmen von Energieleitplänen analysiert werden. Wärmeleitpläne, wie sie vielerorts bereits erstellt werden, die aber Energieeffizienz und die Erzeugung von ausreichend regenerativem Strom vor Ort und die effiziente Abdeckung der Residuallast außer achtlassen, greifen zu kurz. Die Lösungen können im Rahmen von Energieleitplänen ganz unterschiedlich ausfallen. Man kann aber Standardlösungen für ähnliche kommunale Randbedingungen erarbeiten, an denen sich die Kommunen orientieren können (eZeit Ingenieure) z.B.:
- Kleine Kommunen mit zahlreichen Ein- und Zweifamilienhäusern mit mittlerem bis schlechtem Wärmedämmstandard ohne Anschlussmöglichkeit an Nah- oder Fernwärme mit Hybridheizungen (Wärmepumpe, Photovoltaik, ggf. Batteriespeicher + Gaskessel oder Holzheizungen für Tage der kalten Dunkelflaute) und Kraftwärmekopplungsinseln in den dichteren Ortskernen (Rathaus, Schule etc.).
- Wärmeverbund mit steigender Nutzung der Erneuerbaren, Pyrolyse von Biomasse für Energieerzeugung und die stabile Speicherung von Kohlenstoff, Geothermie, Wärmepumpen, zunehmend Grüner Wasserstoff KWK und Solarthermie
- Wärmeverbund mit hohem Anteil industrieller Abwärme und zunehmend Grünem Wasserstoffanteil oder Strom aus Erneuerbaren Energien.
Die Quote der energetischen Sanierung kann erheblich gesteigert werden. Dies setzt umfangreiche Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme im Handwerk (Gebäudehülle, Heizung, Sanierung, Mechatronik, IT) voraus (vgl. MP 2) und die Verankerung des Klimaschutzes für Kommunen als Pflichtaufgabe (vgl. MP 1). Die besten Förderprogramme (z.B. KfW 432) nützen nichts, wenn überschuldete Kommunen weder die finanziellen noch die personellen Kapazitäten haben die Förderprogramme in Anspruch zu nehmen.
Die Eigentumsquote in Deutschland liegt bei 46,5 % (destatis). Eine faire Aufteilung der energetischen Sanierungskosten zwischen Mieter und Vermieter (Investoren/Nutzer Dilemma) ist daher unumgänglich (vgl. Agora 2020 und MP 13).
(2) Ordnungsrechtlicher Reduktionspfad von reinen fossilen Kesselheizungen
Mit über 620.000 Erdgasheizungen im Bestand (rund 100.000 mehr als 2019) verzeichnet der Wärmemarkt 2020 einen neuen Rekord (BDH 2021). Hier wird im Bestand seit Jahren die Chance vertan, durch Ordnungsrecht bei einer Heizungssanierung die verpflichtende Ergänzung um Wärmepumpen und Solarstromanlagen (Hybridheizungen) in und auf den Gebäuden vorzusehen, um den Anteil erneuerbare Wärme kontinuierlich zu steigern und zukunftsfähig zu machen. Zusätzlich fehlt es an geeigneten Preissignalen über das Stromnetz (vgl. MP 13), die die Entscheidung vor Ort erleichtern, wann der Betrieb des fossil betrieben Heizkessels noch nötig ist oder wann die Gesamtbilanz des Betriebs einer Wärmepumpe emissionssparend oder netzüberlastend ist. In den Darstellungen der Branchenverbände und der Politik wird nicht benannt, dass ein reiner Kesseltausch (alt gegen neu, aber weiterhin fossil) unzureichend ist (BdH 2019). Seit dem 1.1.2021 wurde bisher lediglich die Förderung des auflagenfreien Austausches von Heizkesseln gemäß Gebäudeenergiegesetz eingestellt (Kfw 2021, BMWI 2021). Im Rahmen einer Reform des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) kann die Verwendung fossiler Brennstoffe für Gebäudewärme im § 72 Abs. 4 GEG deutlich mehr eingeschränkt werden (vgl. UBA 2021)
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die Investitionskosten für unterschiedliche Wärmeversorgungsvarianten liegen je nach Variante zwischen -10 bis 80 €/tCO2e. Die Kosten für die Wärmedämmung liegen dagegen zwischen 350 und 450 €/tCO2e. (vgl. UBA 2019, Abb. 59, S. 104). Die Kosten der Energieleitpläne vom Gesamtplan (vgl. z.B. Energieleitplan Bruchsal, Energienutzungsplan Konstanz) bis zur Umsetzung in den Quartieren mit aktiver, aufsuchender Begleitung von betroffenen Haushalten und Unternehmen können an dieser Stelle nur grob geschätzt werden und liegen in der Größenordnung von ca. 100 €/Einwohner bzw. bundesweit ca. 8 Mrd. € verteilt auf 10 Jahre. Für die Finanzierung verpflichtender Energieleitpläne gibt es noch kein ausgearbeitetes Konzept bzw. Instrument. Eine mögliche Option, die bereits vor Jahren diskutiert wurde, wäre die Ausgestaltung einer Klimaschutzabgabe im Rahmen der von den Kommunen festzulegenden Hebesätze in der Grundsteuer über einen Emissionsfaktor. Auf Grundlage eines zentral angelegten, regelmäßig zu aktualisierenden Treibhaus-/Energieausweiskatasters (ähnlich des Marktstammdatenregisters für die Erneuerbaren Energien) könnten unterschiedliche Hebesätze in Abhängigkeit der Emissionsintensität der Gebäude als Grundlage eines Teils der Grundsteuer dienen, der nicht auf Mieter umgelegt werden darf (Realsteueraufkommen). In jedem Fall ist eine faire Aufteilung der Kosten der energetischen Sanierungskosten zwischen Mieter und Vermieter unumgänglich (vgl. Agora 2020 u.a.) Bei der Gebäudeenergiebewertung sind insbesondere bei Neubauten die verbaute „graue Energie“ und der individuelle Stromverbrauch durch gebäudebezogene Aggregate, wie Lüftungsanlagen, Gebäudekühlung, Wärmepumpen usw. mit zu berücksichtigen.
Rechtliche Umsetzung
Klimaschutzgesetze der Länder
(1) Verpflichtende Energieleitpläne in den Klimaschutzgesetzen der Länder verankern und finanzieren (vgl. MP 1, Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe).
Gebäudeenergiegesetz
(2) Gebot für Hybridheizungen: Sofortiges Verbot zum Einbau und Ersatz von rein fossil betriebenen Heizkesseln ohne zusätzliche Photovoltaik und Wärmepumpe (§ 72 Abs. GEG).
(3) Anteil erneuerbarer E-Wärme schrittweise verpflichtend auch im Bestand erhöhen (vgl. das Erneuerbare-Wärme-Gesetz Baden-Württemberg).
(4) Sanktionierbare energetische Gebäudesanierungsquoten im Rahmen von verpflichtenden und geförderten Energieleitplänen einführen.
(5) Klimaschädliche Tatbestände in Förderprogrammen streichen, Förderhöhen an Treibhausgas- Einsparpotenzial ausrichten.
(6) Überarbeitung der BAFA und KfW-Fördertatbestände (KfW 2021)
Finanzierung z.B. über Grundsteuerkomponente
(7) Integration eines Emissionsintensitätsfaktors in die Hebesätze der Kommunen zur Finanzierung der Energieleitpläne sowie kommunalen Förderprogrammen (vgl. Diskussionspapier „Der Gebäudesanierungsfahrplan“ der VdZ 2014 mit dem Vorschlag der Einbindung von Energieeffizienz in die steuerliche Bewertung bei der Grundsteuer).
Alternativ schlägt die Initiative Kompass eine kommunale Klimaschutzeinrichtung mit Anschlusspflicht vor. Die Kommunen legen jährlich reduzierte Jahreszielwerte für die CO2-Emissionen fest. Die Klimaschutzeinrichtung – z.B. eine kommunale Agentur – wertet die jährlichen Energieverbräuche (Strom und Wärme) und die damit verbundenen CO2-Emissionen aus. Für jedes Gebäude, jeden Haushalt, bei dem die Emissionen pro Kopf über dem Jahreszielwert der Kommune liegen, erstellt sie jährlich einen individuellen CO2-Reduktionsplan (Sanierung Gebäude, Heizung, Elektroverbraucher, erneuerbare Strom- und Wärmeproduktion, Nutzerverhalten). Weiterhin werden Unterstützung bei der Umsetzung und der Qualitätssicherung sowie ein Monitoring angeboten. Für diese Serviceleistungen wird eine Gebühr erhoben, die umso höher ist, je höher der kommunale Jahres-Zielwert überschritten ist. Bei Erreichen des jährlichen Zielwerts besteht Gebührenfreiheit. Die Klimaschutzeinrichtung kann von größeren Städten alleine und von kleineren Gemeinden in einem Zweckverband betrieben werden.
(8) Keine vollständige Umlage der Grundsteuer mehr auf den Mieter (§ 556 BGB i. V. m. der Betriebskostenverordnung).
(9) Kein Absetzen der Grundsteuer mehr als Werbungskosten.