Für den Klimaschutz (aus-)bilden: In Beruf und Schule

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Viele Menschen sind bisher noch nicht ausreichend auf die Veränderungen vorbereitet, die der menschengemachte Klimawandel auch für unseren Alltag und unsere Arbeitswelt bedeuten wird. Es fehlt nicht nur Wissen über die Veränderungen in der Arbeitswelt die wirksamer Klimaschutz erfordert, sondern auch ein Bewusstsein für Chancen, die sich aus einer sozial-ökologischen Wende ergeben können. Denn hier entstehen viele neue Berufsbilder und Aufgaben. Nicht nur für die Generation unserer Kinder wird Klimaschutz zu einem selbstverständlichen Teil ihres Berufs werden müssen – egal, wo sie arbeiten.


Sofern ich am 26.9.2021 in den Bundestag gewählt werde, werde ich Gesetzesinitiativen und Vorschläge für Kooperationen einbringen oder unterstützen, die

  1. ökologisch und sozial nachhaltige Berufe für Menschen attraktiver macht und ihnen ermöglicht leichter in diese wechseln können. Denn viele Berufe, sei es in der Automobilbranche, in der Energiewirtschaft oder in der Industrie, werden in Zukunft ganz wegfallen oder sich stark verändern. Andere Berufe werden an Bedeutung gewinnen, etwa in der Bioökonomie, bei der Gebäudesanierung, im Heizungsbau, bei den Erneuerbaren Energien, in Gesundheit und Pflege, in der Digitalisierung sowie in der Land- und Forstwirtschaft.
  2. berufsbegleitende Fortbildungen für ökologische und nachhaltige Berufe verstärkt gefördert werden. Dazu gehört auch eine bessere Informationen über Jobchancen in den neuen Arbeitsmärkten.
  3. Umwelt- und Klimathemen stärker als bisher in die Lehrpläne von Schulen und Berufsschulen aufgenommen werden.
  4. eine jährliche bezahlte Bildungswoche für alle Interessierten einführt, die Menschen ermöglicht andere soziale, ökologische und nachhaltige Berufswelten kennen zu lernen.

Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail

Eine Jugendstudie unter Menschen zwischen 14 und 22 Jahren zeigt, dass handlungsrelevantes Umweltwissen gerade bei den von der Erderwärmung betroffenen jungen Menschen nicht im ausreichenden Maße vorhanden ist und Viele die eigenen Konsumansprüche über das Gemeinwohl stellen.

(1)  Politische Berufsbildung / Klimakommunikation (Arbeit 5.0)

Die bisherigen Angebote insbesondere der berufsbegleitenden Bildung (vgl. bpb 4/2020, bpb 12/2020, BMU u.v.m.) sind als Pilotprojekte vielversprechend, um einen Eindruck der drastischen Folgen der Erderwärmung zu bekommen. Sie reichen jedoch nicht aus, um zu erfahren, welche Änderungen und individuellen Chancen bezogen auf Berufswünsche damit verbunden sind.

Auch die Forschung darüber, wie eine sozialökologischen Arbeits- und Berufsbildungspolitik aussehen könnte und der praktischen Bildungsinhalte dafür notwendig wären, steht noch am Anfang (VÖW 2018, Gruene Arbeitswelt, IAB-Forum). Darüber hinaus steht die Kommunikation und Vermittlung solcher Inhalte in der Breite noch weitgehend aus (Klimakommunikation).

Das Wissensmanagement und die Empathie für Klima, Umwelt, Tiergesundheit, intakte Lebensräume, nachfolgende Generationen u.v.m. sollten dabei miteinander verbunden werden. Unter Klimakommunikation fallen auch Themen wie die Ökonomie, z.B. welche politischen Instrumente Spekulation, Korruption oder leistungslose Einkommen ermöglichen oder welche politischen Instrumente helfen, klimaschädliche Fehlanreize und Reboundeffekte abzubauen oder die Finanzierung einer sozialökologischen Transformation ermöglichen. Eine der wichtigsten Aufgaben ist dabei, nachvollziehbar zu erklären, was Wissenschaft von Meinungen unterscheidet und wohin dissonante und konsonante Wahrnehmung von Informationen führen kann. Für politische Mehrheiten braucht es eine breite Verankerung des Wissens um notwendige Veränderung für den Klimaschutz in großen Teilen der Gesellschaft.

(2)  Jährliche Bildungswoche für die sozialökogische Transformation und den Zusammenhalt von Stadt und Land

So könnte das Angebot einer Bildungswoche für alle Interessierten das Erfahren von anderen Lebenswirklichkeiten, Berufsbildern, Lebenskonzepten den notwendigen gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein lebenslanges Lernen für die sozialökologische Transformation befördern. In der Stadt lebende können so z.B. die Lebenswirklichkeiten der Menschen in Land- und Forstwirtschaft erleben und umgekehrt. Wissenschaftler dagegen könnten praktische Eindrücke in der Pflege, der Feuerwehr oder Verwaltung sammeln.

(3) Vereinfachung und Transparenz durch Rechtsbereinigung

Zur politischen Bildung gehört die Erklärung gesellschaftlicher Regeln. Um sie erklären zu können, müssen Regeln und ihr Zustandekommen transparent und einfach genug sein, um erklärbar zu bleiben (vgl. Wolfgang Schäuble 2007).

Das gilt für den Klimaschutz, insbesondere für die mit unzähligen Ausnahmetatbeständen und durch Lobbyisten durchgesetzte Sonderregelungen im Energierecht und Umweltrecht (vgl. MP 9). Die Stiftung Umweltenergierecht entwickelt bis zum Herbst 2021 Vorschläge, wie das Energierecht entbürokratisiert und wieder besser steuerbar gemacht werden kann. Damit soll die Politik ermutigt werden, die Neuordnung in der nächsten Legislaturperiode anzugehen.


Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen

Die Geschwindigkeit der Transformation hängt ganz wesentlich von der gesellschaftlichen Bereitschaft ab, in die zukunftsfähigen Geschäftsfelder und damit Berufsbilder zu investieren. Beispiel: Allein im Bereich der Gebäudehülle ließen sich bei einer Verdopplung der bisherigen Sanierungsrate und einem Investitionsvolumen von rund 60 Mrd. € pro Jahr mehr als 200.000 zusätzlich Arbeitsplätze schaffen und ca. 42 Mio. t CO2-Emissionen dauerhaft einsparen (FIW 2018).

Voraussetzung dafür ist jedoch ein Qualifizierungsprogramm. Auch bei einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien sind die Effekte auf die Beschäftigung durchweg positiv (GWS 2018a, GWS 2018b, O`Sullivan2020).


Vorschläge für die rechtliche Umsetzung

Nach Artikel 30 des Grundgesetzes ist die „Schule“ und überwiegend auch die „Hochschule“ Ländersache. In dem zuletzt zum 1. Januar 2015 geänderten Art. 91b GG ist das Zusammenwirken von Bund und Ländern in Wissenschaft, Forschung, Lehre und Bildung geregelt.

Darüber hinaus erlaubt das Grundgesetz bei sogenannten „Gemeinschaftsaufgaben“ auch über die jeweils eigenen Zuständigkeiten hinaus zusammenzuwirken (BMBF).

Bundestag und Bundesrat sollten den Rahmen so setzen, dass die Bildung und ein lebenslanges Lernen für den sozialökologischen Wandel über die notwendigen Veränderungen zum Klimaschutz in allen relevanten Bildungseinrichtungen wie Schulen, Berufs- und Hochschulen in die Pflichtfächer integriert werden muss. Ein multidisziplinär zusammengesetzter und die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen repräsentierender Beirat wäre geeignet, die Wissensbasis für vielgestaltige Unterrichtsformen zusammenzustellen. Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen (UN) auch zur Förderung einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) verpflichtet. Die dazu ggf. notwendigen zusätzlichen finanziellen Mittel (Art. 104c GG) sind zur Verfügung zu stellen.

Jährliche Bildungswoche für die sozialökologische Transformation im Rahmen einer Reform der Bildungsurlaubsgesetze

2019 wurde das 100-jährige Bestehen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gefeiert. Sie weist in ihrer Erklärung vom 21.6.2019 darauf hin, dass sie ihr hundertjähriges Jubiläum begeht „in einer Zeit transformativer Veränderungen in der Arbeitswelt, hervorgerufen durch technologische Innovationen, demografischen Wandel, Umwelt- und Klimaveränderungen und Globalisierung sowie anhaltende Ungleichheiten, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Art und Zukunft der Arbeit und auf die Stellung und Würde der betroffenen Menschen haben“(IAO 2019). Eine Übersicht über Aufgaben und internationale Abkommen der ILO geben Zimmer&Pfitzner. Es ist dringend notwendig, dass sich die ILO nicht nur um eine sozial gerechtere Arbeitswelt der Lieferketten kümmert, sondern auch um die Ökologisierung der Lieferketten. Völkerrechtliche Normen wie ILO-Übereinkommen müssen in Deutschland ins nationale Recht übernommen werden (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG). ILO-Übereinkommen stehen im gleichen Rang wie Bundesrecht, unterhalb der Verfassung, aber oberhalb der Ländergesetze (EU-Parlaments-Initiative).

Im Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über den bezahlten Bildungsurlaub vom 24. Juni 1974 hatte sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, einen bezahlten Bildungsurlaub zum Zwecke der Berufsbildung, der allgemeinen und politischen Bildung sowie der gewerkschaftlichen Bildung einzuführen. Die Bundesländer haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit entsprechende Gesetze erlassen. An der Umsetzung gibt es erhebliche Kritik (Zimmer 2015). Die Ländergesetze sind dahingehend zu reformieren, eine jährliche Bildungswoche für jede*n anzubieten, in der Notwendigkeiten und Chancen einer sozialökologischen Transformation deutlich und zukunftsfähige Berufsbilder in Unternehmen und Lebensweisen in „best practice“ Beispielen erfahrbar werden. Damit kann der Gesetzgeber den notwendigen Wandel positiv befördern. Ein solch groß angelegtes Bildungs- und Motivationsprogramm erfordert die Vermittlung des Wissens in der gesamten Vermittlungskette. Themen wie z.B. Digitalisierung und Energie- oder Verkehrswende, die bislang nur wenig in Verbindung gebracht werden, müssen im Zusammenhang thematisiert werden (ioew), um neue Kooperationen, Ideen und Geschäftsfelder entstehen zu lassen (Klima vor acht statt Börse vor acht).

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